Englisch im Deutschunterricht
Vor kurzem wurde ich von einer Teilnehmerin angerufen:
– Hi Tatiana, I would like to say that I cannot attend the next class. Can we postpone it please?
Warum redet die Teilnehmerin mit ihrer Deutschlehrerin auf Englisch? Warum benutzt sie eine andere Sprache, wenn sie eigentlich Niveau B1 hat? Diese Frage habe ich mir schon oftmals gestellt und heute versuche ich die zu beantworten.
Ich unterrichte Deutsch für die Mitarbeiter und Führungskräfte unterschiedlicher Banken in Frankfurt am Main. Die Arbeitssprache in den internationalen Banken, wie z.B. Europäische Zentralbank (EZB) oder Kommerzbank, auch bei der Deutschen Bundesbank ist Englisch. Und die Mitarbeiter kommunizieren miteinander und mit den Kunden meistens auf Englisch. Deutsch brauchen sie selten für die Arbeit, meistens für ihren Alltag.
Ich unterrichte Deutsch auf Deutsch, weil meine Teilnehmer aus unterschiedlichen Ländern kommen und ich natürlich nicht alle Sprachen der Welt kann. Manchmal kann aber Englisch auch in meinem Unterricht benutzt werden.
Versuchen wir mal zu verstehen, WIE und WARUM das NÜTZLICH sein kann, sowie auch WARUM ich immer versuche, Englisch zu VERMEIDEN.
Warum sagt man etwas auf Englisch im Deutschunterricht mit dem Niveau B1? Was ist eigentlich Niveau B1?
Das ist eine bestimmte Anzahl von Kompetenzen, die jemand in der Fremdsprache beherrscht. Laut GER können sich die Deutschlernenden mit dem Niveau B1 schon einfach und zusammenhängend über vertraute Themen und persönliche Interessengebiete äußern. Sie können über Erfahrungen und Ereignisse berichten, Träume und Ziele beschreiben und kurze Begründungen oder Erklärungen geben. Eigentlich ist das schon ziemlich hohes Niveau.
Warum reden dann die Teilnehmer nicht auf Deutsch? Warum nutzen sie eine andere Sprache?
Die meisten Gründe dafür sind:
– UNSICHERHEIT und SCHAM.
Die Lernenden sind nicht sicher, ob sie alles richtig sagen, und schämen sich für ihre Fehler. Sie fragen lieber auf Englisch, weil sie Englisch (oder auch natürlich andere Sprache, die der Lehrer auch spricht) besser können und sicherer sind.
– Zweiter Grund folgt aus dem ersten: Englisch ist für sie LEICHTER und verständlicher.
Sie müssen sich nicht sehr anstrengen und konzentrieren, um sich an ein passendes Wort zu erinnern und um schwere Satzstrukturen zu bilden.
In allen diesen Situationen versuche ich zu erklären, dass sich meine Teilnehmer absolut nicht schämen sollen! Sie müssen versuchen, die Sätze auf Deutsch zu formulieren, sogar wenn sie nicht 100 % sicher sind, ob sie das richtig machen oder nicht. Dafür bin ich doch da und kann alles korrigieren und erklären. Übung macht den Meister! Und wenn der andere Meister dabei unterstützt, funktioniert alles besser und schneller.
Ich erzähle immer meine eigene Geschichte: ich habe doch Deutsch auch irgendwann mal gelernt. Und Deutsch ist nicht meine Muttersprache. So hatte ich am Anfang auch Schwierigkeiten und schämte mich, als ich Fehler machte, und sagte deswegen auch nicht alles, was ich eigentlich sagen wollte. Diese Barriere muss schnell wie möglich überwunden werden. Dann wird unser Leben viel leichter.
Wann ist es aber akzeptabel, Englisch im Deutschunterricht zu sprechen?
Wenn man Anfänger ist. Ich meine RICHTIG ANFÄNGER – mit dem Niveau A1.1. In diesem Fall kann man z.B. organisatorische Sachen auf Englisch besprechen und wichtige Informationen über Rechte oder Gesetzte im Land erklären.
Nur in diesen Situationen würde ich persönlich andere Sprache benutzen.
In anderen Fällen ist es meiner Meinung nach und aus meiner eigenen Erfahrung nicht nötig.
In welchen Situationen sollte man KEINE ANDERE SPRACHE im Deutschunterricht benutzen?
– Vor allem bei dem Wortschatztraining. Ich würde empfehlen, die neuen und unbekannten Wörter NIE zu ÜBERSETZEN! Die Teilnehmer verstehen den Inhalt des gelesenen Textes schneller, aber sie lernen diese Wörter nicht. Sie hören die Übersetzung, verstehen den Inhalt und vergessen gleich das deutsche Wort. Das ist nicht mehr nötig. Sie haben schon alles verstanden, und das Wort sowie auch seine Aussprache können jetzt ruhig verschwinden. Man braucht sie nicht mehr. Um das zu vermeiden, erkläre ich alle Wörter mit Hilfe von Synonymen oder Antonymen, mit Gestik und Mimik, ich erkläre die Bedeutung anhand von Beispielen oder kleinen Geschichten. Ich versuche die neuen Wörter auf Deutsch zu beschreiben.
– Noch schlimmer ist es, wenn der Lehrer den ganzen Text übersetzt oder den Inhalt des kompletten Textes wiedergibt. Das soll eigentlich nur der Teilnehmer machen. Ich nutze in meinem Unterricht sehr oft solche Art der Arbeit. Ich unterstütze meine Teilnehmer bei der Inhaltswiedergabe, helfe ihnen die Details zu verstehen, erkläre fremde und unbekannte Wörter und stelle Fragen zum Text. So wird auch eine intensive und proaktive Arbeit mit dem Text stimuliert und der Teilnehmer erweitert effizient seinen aktiven Wortschatz.
Tatiana Heinbuch
Sprachcoach, Expertin für Sprachenlernen und Kommunikation
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